56 – Wertorientiert Entscheidungen treffen. Mein Kirchenaustritt mit TZI beleuchtet. Teil 3


Die aktuellen drei Podcastfolgen sind insofern ein Exkurs, als es nicht um Schule und Bildung geht. Und doch passt das Thema hervorragend in unser Podcast-Herbst-Überthema, das lautet: „Wie bleiben/werden wir handlungsfähig?“. Es geht in diesen Folgen ums Entscheidungen treffen und Katharina nimmt euch mit in einen sehr persönlichen und intensiven Entscheidungsprozess, nämlich ihren Kirchenaustritt vor einem halben Jahr.

Als Lehrer:in treffen wir jeden Tag hunderte kleine, aber immer wieder auch größere und gewichtige Entscheidungen. Und nicht selten müssen wir dabei zwischen Vorgaben und unseren (pädagogischen) Werten, manchmal aber auch zwischen vielleicht kollidierenden Werten unseren Weg finden.
In diesen drei Podcastfolgen nimmt Katharina ihre Entscheidung zum Austritt aus der katholischen Kirche mit den Axiomen, dem Chairperson-Postulat und dem Vier-Faktoren-Modell, allesamt Konzeptbausteine der Themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Ruth C. Cohn in den Blick. Unten findet ihr die Links zu unseren Podcast-Folgen, in denen diese Bausteine erläutert und auf die Schule bezogen vorgestellt werden!

Aus dem heutigen, dritten Teil:

„Das WIR, um das es mir geht, ist eines, was unabhängig von der institutionellen Zugehörigkeit ist. Hier denke ich sofort an Matthias Scharer, der nicht müde wird, zu betonen, dass das WIR von Ruth Cohn nie gedacht war zur Beschreibung einer exklusiven Gruppe, sondern als umfassendes, globales Wir aller Menschen.[1] Dieses WIR bleibt mir und dazu klingen in mir auch die Worte Ruth Cohns an und nach:

>>Im weiteren Sinn kann eine Gruppe durch ein gemeinsames Anliegen auch über Raum und Zeit bestehen. Eine Gruppe wird nicht dadurch gestärkt, dass Personen ihre Individualität aufgeben, sondern dadurch, dass diese sich in der jeweiligen Gemeinschaft aktualisieren. […] Das Wir wird stärker nicht durch Mitglieder, die sich selbst aufgeben, sondern durch die, die sich eingeben. Nicht: Ich gebe mich auf für meine Gruppe (Familie, Freunde, Volk, Menschheit), sondern: Ich gebe mich ein. […] ich bin wirksam bereits durch meine bloße Existenz als Atmende(r) und Anteil-Seiende(r).<<[2]

In dieser Hinsicht kann ich meinen Kirchenaustritt als eine „Aktualisierung“ meiner selbst verstehen. Und ich spüre deutlich: Ich will mich eingeben, nicht herausnehmen. Doch ohne den Austritt wäre es ein Aufgeben meiner Selbst gewesen, oder, wie ich in meinem Begründungstext geschrieben habe: Ich hätte mich selbst nicht ernst genommen. Wie dieses Eingeben nun konkret aussehen mag, das wird die Suche und Aufgabe sein. Ruth Cohns Worte verdeutlichen mir aber nochmal: Auch in diesem Zwischen-Raum und durch die „bloße Existenz“ – meiner selbst und meines Schrittes – bin ich da und gebe mich ein als Teil des WIR. […]

[…] Das Ziel, die große Kunst, zu der uns das Vierfaktoren-Modell herausfordert und in der es uns unterstützen kann ist die „Dynamische Balance“. Der Begriff „dynamisch“ meint, dass die Balance nicht wie bei einer Waage statisch, sondern wie bei einem Fahrrad nur im Prozess möglich ist. Daraus schließe ich auch für mich: „Der Weg zeigt sich im Gehen.“ Die Balance ist nicht herzustellen in einem starren und vor allem nicht dauerhaften Sinne, sondern immer wieder – auch und gerade durch das Aus-der-Balance-Geraten wie bei einer Wippe – neu zu finden, zu entdecken und auch „von oben“ geschenkt zu bekommen.“


[1] Vgl. Matthias Scharer: Vielfalt couragiert leben. Die politische Kraft der Themenzentrierten Interaktion, Grunewald-Verlag 2019 und Ders.: Ruth C. Cohn. Eine Therapeutin gegen totalitäres Denken, Patmos-Verlag 2020. In der 20. Folge des Podcast „Zukunft macht Schule“ habe ich das letztere Buch rezensiert: https://zukunftmachtschule.org/2020/11/02/20-ruth-cohn-eine-therapeutin-gegen-totalitaeres-denken/ (letzter Abruf: 06.04.2021)

[2] Ruth C. Cohn / Alfred Farau: Gelebte Geschichte der Psychotherapie. Zwei Perspektiven, Stuttgart 1984, S.354.
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Podcastfolgen zur TZI:
1.) „TZI – Dein Supertool!“ In dieser Folge stelle ich dir die TZI als absolutes
„Supertool“ für deine Arbeit in der Schule, für deinen Unterricht, für deine
verschiedensten Team- und Kollegiumssituationen, …ach, eigentlich für alle
deine Lebensbereiche!…, vor. Dabei lernst du unter anderem das
Vierfaktoren-Modell (ICH – WIR – ES – GLOBE) und seine Funktion
kennen.

2.) „Warum ich mich in die TZI verliebt habe“. In dieser Folge stelle ich dir die
drei Axiome vor und kann nur sagen: Sie sind so wunderbar, weil sie
klärend formulieren, was und wie wir uns als Menschen erleben, allein, in
Gruppen, in unseren Entscheidungen, in globalen Zusammenhängen. Viel
Spaß beim Hören und Mitnehmen in den Schulalltag!

3.) „Sei deine eigene Chairperson!“ – Wie stellst du die Balance her zwischen
deiner Autonomie und deiner Interdependenz? Wie erkennst du äußere und
innere Grenzen und wo du sie erweitern kannst und musst? Wie nimmst du
dich selbst und andere und die Welt an, wie es ist, ohne deine
Handlungsfähigkeit und die Notwendigkeit zum Wandel aus den Augen zu
verlieren? …Die TZI kann uns in Bezug auf Schule auf vielfältige Weise
unterstützen, aber hier sehe ich definitiv ihren größten Impact für uns als
Lehrer:innen!

——
www.zukunftmachtschule.org


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